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Sony MDS-JE530, A5000, FS1R, MU80, Orbit, TX81Z, Vintage Keys,
ASR10, Alesis Datadisk, MAV8, DMS Studio 4, Akai me80p, Jp-8080,
Waldorf pulse, Regelwerk, Mackie 3204, Tascam da-302, Motu
2408, Xbase09, An200, Nord lead, 909, 808, yamaha spx900,
roland sde330, boss se-70, boss se-50, quadraverb, mam rs3,
digitech studio quad, mam vf11, nanoverb, microverb, microgate,
alesis wedge, mackie sr32-8, ultra-curve, da-30 mk2, tc finalizer
96k, mindprint t-comp, spl vitalizer 2, behringer denoiser,
behringer composer, tannoy pbm8, yamaha ns10mm, spendor qt100,
cr78, sh101, ppc7600 g3 beschleuniger, 2 monitore, drehbank,
juno 60.
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In diesen Tagen erscheint mit "Everyground"
das aktuelle Album von Mijk van Dijk. Timo Hummel hatte die
Gelegenheit, den Techno-/House-Künstler in seinem Berliner
Studio exklusiv für MEMI zu interviewen.
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Hallo Mijk,
fangen wir doch mal ganz am Anfang an:
Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?
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Mijk: Durch
die Gitarre. Zuerst habe ich habe angefangen, Gitarre
zu lernen und habe dann in einer Band gespielt. Da ich
von drei Gitarristen der Schlechteste war, ging das so,
dass der beste Gitarrist Lead spielen durfte, der zweitbeste Rhythmusgitarre und der Schlechteste musste Bass
spielen. So bin ich dann zum Bass gekommen.
Später bin ich nach Berlin gezogen. Mich hat es immer genervt, mit Bands zusammenzuspielen.
Die richtige Band zu finden, in der alle das gleiche wollen, ist fast unmöglich. Insofern hat
mich auch schon früh elektronische Musik interessiert, also angefangen von Kraftwerk über
Kevin Saunderson, Depeche Mode, Soft Cell bis hin zu all dem, was mit der elektronischen
Wave-Musik passiert ist.
Ich stand sehr auf Funk, gerade auch elektronische Funkgeschichte, und wollte sowas in der
Richtung produzieren. Zu der Zeit, Mitte der 80er, wurden elektronische Instrumente auch
langsam für Normalsterbliche erschwinglich und so habe ich mir dann einen alten Yamaha cx5m
Computer gekauft. Der hatte 32Kbyte Arbeitsspeicher, ein eingebautes FM-Modul mit 8 monophonen
Stimmen und einen kleinen Sequencer, und damit konnte man dann schon richtig Musik machen. Dazu
kamen noch eine Drummachine und der erste eigene Sampler.
Dann habe ich 1988 einen Freund über eine Kleinanzeige kennen gelernt, und da haben wir
unser Equipment zusammengeschmissen und gleichzeitig auch die Housemusik entdeckt. Dann
haben wir gesagt: House, das ist es. So muss es sein. Das war für mich irgendwie die
Weiterentwicklung bzw. die Minimalisierung von Disco und elektronischer Funkmusik.
Straight, ohne Gimmicks, einfach nur der Groove, sehr funktional. Dadurch bin ich dann
auf House hängen geblieben. Ich habe damals noch Hiphop mit einer Rapperin produziert,
aber eigentlich war dann immer House und Techno unsere Linie.
In Berlin war es dann ab 1990 so, dass wir eigentlich immer härter werden wollten. Es war
damals echt ein Wettbewerb: Wer macht die härtesten Platten? Eigentlich haben damals noch
nicht sonderlich viele Leute Platten gemacht, sondern es ging eher darum, welcher DJ die
härtesten Sets spielt. Ich rede jetzt von Geschwindigkeiten um 135 bpm, das war damals irre
wahnsinnig schnell.
In dieser Phase habe ich dann auch meine erste Single bei Low Spirit unter dem Projekt
"Loop Zone" herausgebracht. 1991 kam dann das Label Bash Records mit Tanith zusammen.
Da habe ich dann die Produktionen von Tanith co-produziert und meine eigenen
Loopzone-Produktionen fortgeführt. Das Label Bash gibt es jetzt übrigens auch wieder
als "Bash Again", dort habe ich mittlerweile auch schon einige Remixe veröffentlicht.
1992 war dann das Jahr, in dem mir der ganze harte Techno ein wenig auf den Senkel ging,
vor allem weil ich auch Stücke gemacht habe, die ein wenig melodiöser waren. Da habe ich
Kontakte zu dem Label MFS Records bekommen. Da kamen dann die Projekte Microglobe und
Mindgear raus. Zu der Zeit war das gerade so, dass alle möglichen Leute, allen voran
Cosmic Baby und Dominic Woosey von Neutron 9000, angefangen haben, melodischeren Techno
zu produzieren.
In Frankfurt kam das auf mit den ganzen Sachen, die Dag aufgelegt hat, mit den ersten
Platten von Resistance D, EyeQ und Harthouse. Das war der Aufbruch, wo man nach mehr
Melodie im Techno suchte. Früher ging es darum, verspulte Sounds zu bringen, die einen in
andere Sphären bringen, monotone Cluster und Arpeggios.
Das Label Pot Communications aus Frankfurt war damals eines der damals führenden
Trancelabels, aber wenn man das heute hört, würde man nie mehr sagen, dass das Trance
sei. Man würde vielleicht sagen, das ist verspulte Musik. Trance heutzutage ist ein Wort
für Techno-Pop mit Ravesignalen. Im Grunde ist das, was heute als Trance läuft, für mich "Post-Rave".
1992 kam dann MFS, 1993 wurde das Label Superstition in Hamburg aus der Taufe
gehoben. Die Jungs kenne ich auch schon seit 1989, die kamen oft nach Berlin
zum Feiern, und wenn in Hamburg was gutes lief, bin ich auch öfters mal dorthin
gefahren. Als die dann ihr Label gegründet haben, hatte ich gerade mit Marcos
Lopez die erste Marmion Platte produziert, wo auch das Stück "Schöneberg" mit
drauf war, was ein ziemlich großer Hit wurde. Das haben wir dann bei
Superstition rausgebracht und das Label hat auch gleich gut gezündet. Für
Superstition arbeite ich nach wie vor, auch die neue LP "Everyground" kommt
auf Superstition raus, weil man mit den Jungs gut arbeiten kann. Sie arbeiten
zuverlässig, zahlen pünktlich (lacht) und sind immer noch gute Freunde geblieben.
Und auch mit den Leuten, die dort veröffentlichen, kann ich mich persönlich und
musikalisch identifizieren.
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Hattest du klassischen Orgel- oder Klavierunterricht?
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Keyboard habe ich wirklich autodidaktisch gelernt. Hier hat mir auch der Sequencer
geholfen, und meine Kenntnis von der Gitarre als Akkordwissen, also welche Noten
eine Basslinie haben kann und welche nicht. Die Computersachen habe ich mir selbst
aneignen müssen. Mit dem ersten Atari und dem ersten Steinberg-Programm "24 Track"
habe ich angefangen, richtig computerbasiert Musik zu machen. Als Cubase rauskam,
war das so eine Art Erleuchtung für mich, weil ich ja mit dem Yamaha Computer
gearbeitet hatte. Der gab jedem Pattern lediglich eine Nummer, man konnte kein
Pattern benennen und er hat auch nicht angezeigt, wie lang das Pattern ist. Das
musste man sich alles merken. Da habe ich mir dann DIN A4 Bögen an die Wand geklebt
und ein Raster mit kleinen Kästchen draufgemalt. Und als Cubase mit dem exakt
gleichen Konzept rauskam, dachte ich mir: Das ist genau mein Programm. Und seitdem
arbeite ich immer noch mit Cubase VST auf dem Mac.
Damals gab es wirklich keinen, der dir sagen konnte, wie man so was macht. Heutzutage
schlägt man Keyboards/Keys auf und dann liest man da, welche Tools der
Technoproduzent braucht. Jeder weiß, was eine 909 ist. Das wussten wir damals
nicht. Wir hatten keine Ahnung, was das sein sollte. Wir haben von der Maschine mit der
dicken Bassdrum und dem Basssynthesizer, der so abgefahren klingt, gesprochen. Ich wusste
das 1989 noch nicht. Das kam erst 1990, nach viel Recherche. Ebenso wie die Idee, wie man mit 4
Sekunden Samplespeicher trotzdem einigermaßen klarkommt und was man mit Drumloops
so alles machen kann. Das habe ich auch in Zeitschriften wie Melody Maker - wo mal
eine Kolumne von Mixmaster Morris drin war - gelesen, weil die ganze Fachpresse das hier
sehr lange ignoriert hat.
Ich glaube, ich war der erste, der jemals einen Artikel über Technomusik in einer
deutschen Musikerzeitung überhaupt geschrieben hat. Das war ein Artikel, wo
erklärt wurde, wie Techno- und Housemusiker denken und warum sie diese Musik machen,
und dass sie ein ganz anderes Verständnis von einem Keyboard haben, als es der
normale Keyboarder hat. Und dass man gerade eben analoge Synthesizer haben möchte,
weil die Knöpfe zum Schrauben haben.
Es hat mir auch sehr geholfen, dass ich zu der Zeit mit allen maßgeblichen
Musikern direkt sprechen konnte, z. B. Leute wie Kevin Saunderson oder Hiphop-Gruppen wie
"A Tribe Called Quest" oder "De La Soul". Solche Leute habe ich da interviewt, und es war
extrem
hilfreich, denn wenn das Mikrofon aus war, konnte ich noch fragen: "bei der Platte, der
Trick und der Effekt, wie hast du das gemacht?". Das war halt auch einfach noch so eine
Zeit, wo noch viele Sachen unbekannt waren. Es war noch nicht alles entdeckt, wie man
jetzt welchen Sound machen kann usw..
Damals war auch noch viel mehr Kommunikation unter den Musikern gefragt. Das war die
Zeit der Mythenbildung, wo dann die Roland TB-303 angebetet wurde, und wo dann das
Sounduniversum noch nicht so ausgereizt war. Wo echt auch alle Monate noch eine neue
Soundgeneration losgetreten wurde mit irgendeiner bahnbrechenden Platte, meinetwegen
"Mentasm" von Joey Beltram, wo dann dieser Dominator-Sound drauf war. Und einen Monat
später kamen dann bestimmt 10-20 Platten nur mit diesem Sound. Und wieder drei Monate später kam dann
irgendeine neue Platte mit wieder einem neuen Sound, und dann war wieder der
nächste Sound angesagt. Das war eine Zeit voller Erfindungen und Revolutionen. Und
das ist irgendwie heute nicht mehr der Fall, weil die Leute mehr nach dem 08/15-Prinzip
arbeiten, nach dem, was sich bewährt hat, und nicht so versuchen, der Erste zu sein,
der etwas Neues bringt, der Erste, der was macht, was noch keiner gehört hat.
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Gab es für dich irgendeinen Moment im Leben, wo du
gesagt hast: "Jetzt gehöre ich zu den Großen
in der Technoszene"? |
Ich finde das immer vermessen, wenn jemand sich hinstellt
und das so behauptet. Klar, gewisse Leute sind wirklich
die ganz Großen, aber ob ich mich dazu zählen
kann, müssen andere entscheiden. Ich glaube, es entscheiden
immer die anderen, wer groß und wer klein ist. Und
wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden
(lacht).
Klar, für mich war das ein fließender Übergang. Es war natürlich
ein komischer Moment, als plötzlich die ersten Leute kamen und Autogramme haben
wollten. Weil bis dahin war das irgendwie so ein Ding, dass das alles eine kleine
Community war. Das waren die Leute in Berlin, die auf den ersten UFO-Parties in den
Kellern in Berlin-Kreuzberg waren, das war der Kern der damaligen Szene, die immer
größer wurde. Da kannten sich alle, und die kennen sich immer noch alle, nur
sind die alle in anderen Positionen. Einige sind weltbekannte DJs geworden, einige
leiten jetzt riesige Plattenfirmen, andere veranstalten die Love Parade, und einige
machen auch gar nichts, machen ganz normale Jobs. Aber alle kennen sich, viele haben sich
auch verkracht und mögen sich nicht mehr, aber man kennt sich. Das war immer so ein
Familiending.
Das kann man sich als Neudazugekommener gar nicht so richtig vorstellen, aber es ist
etwas sehr Aufregendes, am Anfangspunkt einer Sache dabei zu sein. Du weißt ja nie,
ob das was wird. 1988 war Acid House ganz groß. Es gab große Acid-Parties und
alle liefen mit Smileys rum. 1989 wurde dann erklärt, Acid und House sind jetzt
langweilig und jetzt machen wir mehr Massive Attack und Downbeat. Und diese kleine
Community in den Kellern in Kreuzberg hat daran geglaubt, dass das erst der Anfang war und dass es
weitergehen muss. Und dann kam die Mischung aus Techno und alten Acid-House Tracks, aus harten
Industrial Tracks, aus Hiphouse und aus Detroit Techno. Da wurde auch schonmal Snap mit "I've
got the power" gespielt, das konnte man alles in einem Set spielen. Und aus diesem
Ganzen, aus dieser "Ursuppe" heraus, hat sich dann in Berlin ein ziemlich harter Technosound
herauskristallisiert.
Wir haben das immer verglichen mit Frankfurt: Für uns war Berlin immer
schmutziger, dreckiger als Frankfurt. Frankfurt haben wir assoziiert mit den glitzernden
Glasscheiben der Hochhäuser. Ich glaube, es war auch für Deutschland ein
Glücksfall, dass sich Techno in verschiedenen Metropolen so unterschiedlich
entwickelt hat. Für Berlin war es ein Glücksfall, dass die Mauer sich
geöffnet hat. Die ganzen Leute, die dann aus dem Osten herübergespült
kamen und die einfach nur feiern wollten, die aber die Musik schon kannten, da die Musik
im Westberliner Radio gespielt wurde. Sie waren wie kleine Kinder, als sie dann
plötzlich in den Clubs waren, wo die Musik laut lief und nicht über ein
kleines Radio am Ohr. Es war komisch, zu merken: "Aha, jetzt steht man für andere
Leute eine Stufe höher, weil man etwas macht, was mit der Musik zu tun hat", aber
man selbst sieht sich immer noch als Teil des Urkerns.
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Du bist DJ und Liveact. Wie ordnest du deine Tätigkeiten
ein? |
Ich habe eigentlich einen untypischen Werdegang gemacht.
Zuerst bist du jemand, der tanzt, dann wird er DJ, dann
produziert er vielleicht und dann geht er vielleicht live
auf die Bühne. Bei mir war es gerade andersrum. Ich
war erst Musiker, hab dann zeitgleich mit meiner ersten
Platte auch meine erste Liveperformance gemacht, und ich
war damit einer der ersten Liveperformer überhaupt
in Deutschland. Ich bin dann erst 1992 auch DJ geworden,
und meine DJ-Tätigkeit hat mir auch für mein
Verständnis, wie man Tracks produziert, sehr geholfen.
Am Anfang waren meine Tracks alle noch sehr "musikerhaft", voller Details. Da passierte
in jedem Takt irgendetwas Kleines. Aber das war für die Tanzfläche nicht jedes
Mal förderlich, dass da in jedem Takt etwas passiert. Da muss es auch mal Passagen
geben, wo einfach nur etwas knallend monoton groovend vor sich hin geht. Und dieses
Verständnis für das, was auf der Tanzfläche passiert, das habe ich im
Grunde erst wirklich mit meiner DJ-Tätigkeit begriffen, erfahren und dann auch noch
besser umsetzen können.
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Hast du musikalische Vorbilder? |
Diese Vorbilder liegen für mich ein wenig weiter zurück.
Vorbilder hat man, wenn man anfängt, irgendwas zu
tun. Das sind bei mir Kevin Saunderson, eigentlich war
er derjenige, der für mich Techno so definiert hat,
wie er eigentlich sein sollte, zumal er es geschafft hat,
unter verschiedenen Projekten und Pseudonymen alle möglichen
Sachen zu machen. Er hat für die damaligen Zeiten
extrem harten Techno gemacht, mit Reese & Santonio oder
E-Dancer oder auch klasse Popmusik mit Inner City. Er
war für mich eigentlich immer der Vorbildproduzent
am Ende der 80er.
Livemäßig auf jeden fall Speedy J, der für mich einige der
bahnbrechendsten Technostücke überhaupt geschrieben hat. Ich war ja schon
dabei, meine Liveperformance-Geschichte an den Nagel zu hängen, weil ich keine Lust
hatte, immer mein ganzes Studio mit mir rumzuschleppen. Dann hab ich ihn mal gesehen, wie
er hier in Berlin live gespielt hat. Mit einer Roland TR-909, einer Roland TB-303, mit
einem Akai S1000 und einem Mixer. Was er da gemacht hat, hat mich komplett weggeflasht,
und dann war mir klar, man braucht nicht viel, mit ganz wenig kann man maximale Dinge
tun, und das hat mich gestärkt. Live spielen ist für mich auch wichtig, da hat
man ganz andere Kontrolle und Intensität als wenn man nur auflegt.
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... auf das Publikum einzugehen? |
Ja, es ist für mich mehr Adrenalin drin. Wenn ich live
spiele, bin ich wirklich komplett in der Musik drin. Bei
mir laufen dann immer Loops am Mischpult, die ich mit
Mutes und Pattern umschalte, und bei denen ich Variationen
der einzelnen Sounds gestalte. Wenn ich nichts mache,
dann passiert auch nichts. Hände weg und die Musik
verändert sich, das geht bei mir eigentlich nur bei
Bridges, die ich so erstelle, weil sie so kommen müssen,
wie sie sein sollen. Da sprechen wir von 16-32 Takten.
Aber normalerweise laufen bei mir immer Patterns, wo ich
dann jederzeit den Ablauf komplett umwerfen kann.
Das ist mir auch beim live spielen wichtig, dass man da wirklich auch auf's
Publikum eingehen kann. Wenn ich merke, dass das Publikum auf einen Sound tierisch
abfährt, dann wird dieser Sound gefeatured wie die Hölle, und wenn ich merke,
da genügt diese Bassdrum, dann kann man mit der Bassdrum rumspielen. Diese
ganzen Sachen gehen mit Platten halt nicht.
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Welche Musik hörst du privat? |
Schwierig. Ich höre zuhause gerne entspannte elektronische
Musik. Es gibt Ambient-Downbeat Geschichten, die absolut
Klasse sind. Viel alte Funkmusik, und natürlich die
ganzen neuen Promos. |
Nach zahlreichen Veröffentlichungen auf Superstition
und MFS hast du auch die Playstation-Spiele "Ghost in
the Shell" und "Ridge Racer" mit einem Soundtrack unterlegt.
Wie kam es dazu? |
"Ghost in the Shell" war das erste. Das hatte sehr stark
mit meinen ersten Aufenthalten in Japan zu tun. Ich war
auch schon, bevor ich nach Japan gegangen bin, ziemlich
großer Manga- und Anime-Fan. Mein Lieblingsmangaautor
ist Masamune Shirow, der auch "Ghost in the Shell" gemacht
hat, was gerade zu der Zeit in Englisch verfügbar
war. Meine ganzen Freunde in Japan, also Takkyu Ishino,
Toby Izui und die Leute von Frogman Records wussten alle,
dass ich ein absoluter Hardcorefan bin, und als dann Takkyu
Ishino von Sony den Auftrag bekam, für ein Videospiel
von "Ghost in the Shell" den Soundtrack zusammenzustellen,
hat er alle möglichen Produzenten angesprochen, ob
die einen Track dafür beisteuern möchten. Und
da er wusste, dass ich absoluter Fan von dem Buch und
von dem Film bin, hat er mich auch gefragt, und das war
dann diese Japan-Verbindung.
Daraufhin haben die auch eine Compilation rausgebracht, die sich in Japan
glaube ich doppelt so oft verkauft hat wie das Spiel selbst. Die Compilation hat man in
Deutschland irgendwie nie gesehen, und wenn, dann hat man die im Soundtrack-Fach
gefunden, was schade ist, denn da sind exklusive Tracks von Acts wie The Advent, Claude
Young, CJ Bolland, Westbam, und natürlich Takkyu Ishino drauf, also eine absolut
geniale Compilation. Und weil diese Platte sogar in den japanischen LP-Charts als erste
Technoproduktion überhaupt ziemlich oben lief, haben dann auch die anderen Firmen
das mitbekommen. Auch war es zu der Zeit in Japan so, dass die Elektronische Musik immer
mehr im öffentlichen Leben Einfluss fand und auch andere Gameproduzenten gerne
solche Musik in ihren Spielen haben wollten.
Ich habe dann noch beim Playstation 1 Spiel "Beat Planet Music" mitgewirkt. Das ist
ein Spiel, wo man Patterns einsammelt und damit neue Sequenzen kreiert. Da habe ich mit
Toby Izui aus Japan beratend mitgewirkt und als dann die Playstation 2 rauskam, wurde
über Sony Japan - für die damals von mir LPs veröffentlicht wurden -
von Namco angefragt, ob ich für Ridge Racer 5 nicht einige Tracks beisteuern
würde. Ich habe in Japan auch oft Interviews für Gamemagazine gegeben, und bei
meinen Favoriten war auch immer Armored Core 2, ein Roboterspiel dabei. Ich habe dann
meinen Leuten bei Sony Japan gesagt, wenn ihr mal hört, dass die 'nen neuen
Soundtrack machen wollen, dann sollen sie mich sofort anrufen.
Und prompt kam dann auch die Anfrage, weil gerade die Umsetzung für die
Playstation 2 anstand, ob ich da mir vorstellen könnte, den Titelsong zu schreiben.
Das war dann die letzte Geschichte. Es waren also immer Kontakte mit Sony Japan
direkt, nie über Sony Playstation Deutschland.
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Und dann hast du noch Soundtracks für ein paar Filme
geschrieben, z. B. "Kiss my Blood" und "Femme" ... |
Ja, das sind wahrscheinlich Filme, die kaum einer kennt.
"Kiss my Blood" war eine Abschlussarbeit für eine
Filmhochschule von einem Regisseur, den ich kenne, und
der hat einige Leute gefragt, ob sie ihm da irgendwie
einen Soundtrack beisteuern können. Dr. Walker war
auch dabei, und auch Oskar Sala.
Oskar Sala war der deutsche Elektronikpionier. Er war der einzige Mensch dieses
Planeten, der ein Instrument namens Mixturtrautonium bedienen, reparieren und wenn er
noch leben würde, auch noch bauen könnte. Er hat damals Soundtracks für z.
B. "Die Vögel" von Alfred Hitchcock gemacht. Er hat alle möglichen Filme auf
seinem Instrument vertont, das Klänge erzeugt, die auch immer noch von keinem
anderen Instrument erzeugt werden können. Soviel ich weiß, hat sich die
Firma Doepfer noch kürzlich damit beschäftigt, die einzelnen Klangmodule in Zusammenarbeit
mit
Oskar Sala in einer einigermaßen erschwinglichen Form noch mal neu zu kreieren, um sie
in das Doepfer Modulsystem einbauen zu können, so dass dieser Sound nicht verloren
geht. Oskar Sala hat dieses ganze Wissen mit ins Grab genommen. Es gibt
keinen Menschen, der dieses Instrument noch spielen kann, denn das ist kein Computer
oder Synthesizer, sondern ein Teil aus Holz, Stahl und Elektronik. Ein Riesenschiff, das
auch fragil einzustellen ist und das man auch spielen können muss.
Ich habe dann zwei Szenen illustriert, das war auch eine Geschichte, für die es kein
Geld gab. "Femme" ist ein Kurzfilm, der ein paar Preise auf Kurzfilmfestivals gewonnen hat.
Dazu habe ich dann auch die komplette Musik beigesteuert. Das ist auch kein Soundtrack,
der unbedingt technoid klingt, weil bei Soundtracks für Filme geht es nicht darum,
dass ich mein Ego irgendwie abbilde, sondern dass die Szene optimal musikalisch
repräsentiert wird. Das ist etwas, was ich mir für die Zukunft gut vorstellen
kann. Zur Zeit bin ich aber eher daran interessiert, Musik zu machen, wo ich selbst keine
Auflagen habe, sondern wo ich ausdrücken kann, was ich gut finde.
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Du hast auch mit vielen anderen Künstlern zusammengearbeitet,
z. B. mit Rob Acid und DJ Hell. Erzähl uns doch ein
wenig über deine Tätigkeit als Co- Produzent
und Remixer. |
Der erste, mit dem ich gearbeitet habe, war Tanith, der
zu der Zeit noch keine Instrumente bedienen konnte. Aber
er war im Kopf so weit, dass er genau sagen konnte, genau
musikalisch denken konnte, was wo hin muss, wie das klingen
soll, wie das funktionieren muss, also der im Grunde alles
im Kopf schon fertig hatte und mit dem ich dann die Sachen
zusammen ausgearbeitet habe. Es ist mir auch lieber, mit
Leuten zusammenzuarbeiten, die genau wissen, was sie wollen.
Die Phase, in der ich die meisten Co-Produktionen gemacht habe, das war eigentlich
für das Teamwork-Album. Kurz bevor ich mit dem Album anfing, habe ich mit vielen
Leuten gesprochen, "wir müssen mal was zusammen machen", aber dann dachte ich mir,
das wird ja nie was, wenn ich erst mein Album mache, das dauert ja ewig, bis ich dann dazu
komme, diese Kooperationen wahrzunehmen. Aber dann dachte ich: "Hey, machen wir das doch zum
Konzept des nächsten Albums, ein oder zwei Stücke zu produzieren". Da waren
dann Leite dabei wie Humate, Thomas Schumacher, Claude Young, Tobynation, Quazar und
Hannes Talirz, mit dem ich meine ersten Instrumente zusammen gekauft und geteilt hatte.
Wenn man alleine vor einem Stück sitzt, dann geht das manchmal ganz schnell,
manchmal hat man aber auch das Gefühl, hier muss man noch was machen und da, dann
dreht man alles um und landet da, wo man eigentlich gar nicht hinwollte. Mit zwei Leuten
zusammen zu arbeiten, wo jeder macht und tut und sich einbringen will ... wenn das nicht
kontraproduktiv läuft, sondern man sich die Bälle zuspielt, kommt da
eigentlich auch sehr oft was Gutes bei raus.
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Die Diskussion um Kommerz und Underground ist dir bestimmt
nicht fremd. Wie stehst du dazu? |
Darum heißt das Album ja auch Everyground. Die ganze
Diskussion um Overground und Underground führt für
mich an der Sache vorbei. Overground ist eigentlich nur
noch ein Schimpfwort geworden, Underground ist eine Bezeichnung
dafür, dass man etwas macht, was cool ist, aber was
an Underground teilweise so verkauft wird, ist kein Underground
mehr, sondern ein komplett durchgeplantes Produkt. Underground
finde ich als Diskussionspunkt ein wenig überholt.
Deshalb auch Everyground, weil ich nicht weiß, wo
Underground und wo Overground ist. Everyground ist Musik
für jeden, der es mag. Wenn mir ein Stück gefällt,
dann spiele ich es einfach, wenn es in die Situation,
in der ich dann als DJ stehe, passt. Das ist eine sehr wichtige
Geschichte für mich. Es macht als DJ keinen Sinn,
im Club zu stehen und seinen Stiefel runterzuspielen,
seine Platten so durchnummeriert herauszuziehen und draufzuknallen,
weil man weiß, es klappt irgendwie, sondern man
muss instinktiv auf das, was bei den Leuten passiert,
reagieren. Und manchmal kann ein Overground-Stück
in einem Underground-Set unheimlich genial und geil klingen,
weil es in einen anderen Kontext gesetzt wird, und da
dann eben ganz anders wirkt, als wenn man es in Radio
zwischen den ganzen Popmusikstücken hört. Ich
mag diese Diskussion nicht mehr. |
Kommen wir zum Studio und zur Musikproduktion.
Wie fängst du an, wenn du ein neues Stück produzierst?
Arbeitest du eher mit Hardware oder mit Software? |
Da ich ja vom Atari komme, fange ich normalerweise meistens
mit Cubase an. Der Ausgangspunkt ist dann ein Groove oder
ein Sound. Sounds können Dinge sein, die mir beim
Programmieren von Synthesizern oder bei Akkordfolgen auffallen.
Ich habe auch, während ich das Everyground-Album
gemacht habe, eine Menge Ambient-Stücke gemacht,
wenn ich auf der Suche nach irgendetwas flächigem
meine Geräte befragt habe. Also Sounds können
ein guter Ausgangspunkt sein, Sounds, die man im Sampler
zurechtschleift. Was ich gerne mache ist, wenn man von
irgendeiner Platte oder aus dem Fernsehen einen Sound
rausextrahiert und dann bearbeitet und daraus irgendeinen
Akkord schnitzt, der in der Bearbeitung komplett anders
klingt als das Originalmaterial. Für mich ist das
auch ganz wichtig. Bevor ich einen Sound in einem Stück
erlaube, muss er mein Sound geworden sein. Das
hat natürlich auch mit Urheberrecht zu tun, aber
vor allem auch damit, dass es mein Sound geworden ist,
weil ich ihn soweit bearbeitet habe, dass er wirklich
personalisiert worden ist. Mittlerweile bieten Sampler
ja auch beste Möglichkeiten, um Sounds und auch Grooves
völlig zu verändern und dann als eigenständiges
Material in ein Stück einzubauen. |
Du spielst auch oft live, wie sieht hier deine Arbeitsweise
aus? |
So oft spiele ich gar nicht mehr live. Ich spiele eigentlich
nur noch live, wenn es eine Tour gibt, so wie jetzt, oder
bei großen Events wie Nature One oder Mayday. Das
sieht dann so aus, dass ich meine Tracks in mein Liveequipment
übersetze. Als Sampler und Sequencer habe ich den
RS7000 von Yamaha, der alle Sequenzen und Samples beinhaltet.
Die werden da als Patterns organisiert und steuern dann
noch einen Access Virus Indigo an. Das sind dann die beiden
Hauptklangquellen, die ich dann dabei habe. Dann noch
ein Mischpult, zwei Effekte, und für die Stimme noch
ein Boss VT1.
Ich finde es wichtig, alles ein wenig sportlich am Start zu haben. Ich denke da an
einen Liveact von einem bekannten ausländischen Kollegen, den ich auf einem Open Air
in Deutschland gesehen habe. Der hatte Tonnen von Equipment dabei, ein Riesenpult,
und letztendlich hatte er dann auch tierisch rumgeschraubt, aber alles kam nur von
zwei 8-Track Digitalrekordern, die unter dem Mischpult standen. Das ist zwar plausibler
und besser, als wenn nur alles von DAT kommt, aber für mich sind die Liveacts
eigentlich die geilsten, wenn jemand hinkommt, aufbaut und losspielt und auch mit
dem Publikum, mit sich selbst und mit den Geräten spielt.
Richard Bartz macht das auf jeden Fall sehr geil, Rob Acid macht das supergeil -
das sind die beiden, Hut ab. Die machen den
Liveact genau so, wie er sein sollte. Wenig Equipment, viel bewirken.
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Was ist dein derzeitiges Lieblingsgerät? |
Da ich jetzt gerade meine Livetour mache
und mich mit der [Yamaha] RS7000 viel befasse, ist das
wahrscheinlich derzeit wirklich mein Lieblingsgerät,
das ist eigentlich eine Kiste, die für mich alles
hat, was ein Hardwaresequencer haben muss, es ist alles
drin, was ich mir wünsche. Das hat auch ein wenig
damit zu tun, dass ich von den Entwicklern aus Japan öfters
konsultiert wurde und ein paar Vorschläge abgegeben
habe, was noch reinkönnte und einige sind sogar eingeflossen.
Das ist dann toll, wenn man Tipps geben kann, die einem
am Herzen liegen und das ist dann toll, wenn man die im
Produkt wiederfindet. Er ist für mich der perfekte
Livesequencer geworden.
Andererseits muss man auch sagen, dass Software wie Reason oder Ableton live für
die Leute, die rein auf dem PC Musik machen, eine Offenbarung sein muss, um mit relativ
preiswerten Tools professionell arbeiten zu können. Wenn man sich 1988-1989
entschlossen hatte, House und Techno machen zu wollen, war dann die Frage: kaufst du dir
jetzt ein neues Auto oder kaufst du dir neues Equipment? Oder du hast dann lange Sammeln
und Sparen müssen. Das ist auch der Grund, warum ich so viele Kisten im Studio
stehen habe, weil ich mich von keiner trennen kann. Prinzipiell kann man heute am PC mit
einer Software wie Reason schon loslegen, das ist wohl ein weiterer Schritt zur
Demokratisierung von Musik. Jetzt gibt es eigentlich für niemanden da draußen
mehr eine Entschuldigung, dass er keine Elektronische Musik machen könnte, weil er
es sich nicht leisten könnte. Es ist dann immer auch die Frage, ob man es wirklich
kann, ob man es drauf hat oder nicht.
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Wie sehen deine musikalischen Pläne für die
nächsten Jahre aus? |
Jahre voraus plane ich nicht. Ich habe gerade erst eine
Produktion gemacht, die finde ich ganz spannend, das ist
ein Projekt aus unserem Hamburger Studio. Die haben die
Rechte erwirkt, mit dem gesprochenen Material von Klaus
Kinski Stücke anfertigen zu lassen, und haben elektronische
Musikproduzenten verschiedenster Couleur befragt, da irgendwie
dran mitzuwirken. Das sind Leute wie Oliver Lieb, Thomas
D von den Fantastischen Vier, oder Sash und Neutronic,
die in den 80er Jahren Electronic Pop gemacht haben, die
haben alle mit Klaus Kinski's Vocals aus der Jesus Christi
Erlöser Tour, die er in den 70ern gemacht hat, gearbeitet.
Er stand damals auf der Bühne und hat die Passionsgeschichte
in seinen eigenen Worten wiedergegeben. Dazu habe ich
auch ein Stück mit seinem Text und mit seiner Stimme
gemacht. Das kommt in den nächsten Wochen oder Monaten
raus. Außerdem sitze ich an dem Ambient-Album, das
im Herbst kommen könnte. Ansonsten weiß ich
es gar nicht, nachdem das Album soweit fertig ist. Keine
konkreten Pläne, nur viele Ideen, die im Kopf herumschwirren,
die drauf warten, umgesetzt zu werden. |
Gibt es ein Motto, dass du unseren Lesern mit auf den
Weg geben möchtest? |
Das Leben findet jetzt statt und nicht
in der Zukunft, und man sollte nicht seine Träume
in die Zukunft verlegen, sondern man sollte versuchen,
sie jetzt zu erleben, denn wenn man sie verschiebt, dann
wird man sie niemals ausleben können. |
Vielen Dank, Mijk. |
Das Interview führte Timo Hummel im März 2002.
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